„Politiker*innen müssen Demokratie überzeugt vertreten“
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„Politiker*innen müssen Demokratie überzeugt vertreten“
Aus einem Gespräch mit Dr. Christina-Marie Juen, die bis April 2025 die Professur „Politisches System Deutschlands” am Institut für Sozialwissenschaften vertreten hat:
„Der größte Gegner der Demokratie sind Zweifel – und die lassen sich nicht mit Gesetzesänderungen bekämpfen, sondern nur mit stichhaltigen Argumenten. Das ist jetzt mehr denn je Aufgabe von Politiker*innen und Parteien. Sie müssen, vielleicht zum ersten Mal, Wähler*innen erklären, was Demokratie überhaupt bedeutet. Es gibt gute Gründe etwa dafür, dass Entscheidungen in einem demokratischen System länger dauern, die AfD als antidemokratisch gilt und die Pressefreiheit eine wichtige Voraussetzung für Demokratie ist. Diese Argumente müssen Politiker*innen aber auch thematisieren. Und sie müssen Demokratie überzeugt vertreten: Es muss wieder ihr Ziel sein, gute Kompromisse im Sinne des Landes zu erzielen und diese nicht länger fast schon als Verrat an den eigenen Idealen begreifen. Die politischen Eliten sollten ruhig auch scheinbare Gesetzmäßigkeiten infrage stellen. Was bringt ein starrer Koalitionsvertrag, wenn die nächste Krise von außen die Verhandlungsgrundlage völlig infrage stellt?
Eine Alternative zur klassischen Mehrheitskoalition könnten zum Beispiel themenbezogene Koalitionen sein, die den Wert des Aushandelns und der Demokratie wieder in den Mittelpunkt stellen. Damit Politiker*innen Demokratie zum zentralen Thema machen, müssen sie überzeugt sein, dass es ihnen Wähler*innenstimmen bringt. Das Bundestagswahlergebnis der Linken, die unter anderem Demokratie zum Thema ihres Wahlkampfs gemacht haben, deutet darauf hin, dass es dafür durchaus Potenzial gibt.“