Warum wir Kinder und Jugendliche ernster nehmen sollten
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Warum wir Kinder und Jugendliche ernster nehmen sollten
Lena Haug, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Pädagogik, über das politische Interesse von Kindern:
„Viele Kinder entwickeln schon früh, spätestens im Grundschulalter, ein Gespür für politische Angelegenheiten. Dazu gehören allgemeine Fragen wie ‚Was ist eigentlich gerecht?’, aber auch ganz konkrete Themen. Ich habe zum politischen Interesse von Acht- bis Zwölfjährigen geforscht und dabei herausgefunden, dass verschiedene Themen Kinder beschäftigen – etwa Armut und Umweltzerstörung, aber auch Migration, Krieg und Terrorismus. Für das Interesse an diesen Themen spielen die Medien eine wichtige Rolle, aber auch eigene Betroffenheit und persönliche Bezüge. Begegnen Kinder etwa geflüchteten Gleichaltrigen, kann das ihr Interesse am Thema Migration fördern.
Das Ausmaß des Interesses hängt auch stark von der familiären Sozialisation und sozialstrukturellen Bedingungen ab. Insbesondere Kinder aus Familien mit hohem sozioöko-nomischem Status, deren Eltern mit ihnen viel über Politik diskutieren, entwickeln früh Interesse daran; Kinder aus benachteiligten Familien haben ungünstigere Startbedingungen und sind in der Folge weniger interessiert.
Leider finden Minderjährige in der Politik kaum Gehör – und dies nehmen sie auch wahr. In einer Studie des Kinderhilfswerks geben mehr als 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen an, dass ihre Interessen von der Politik kaum berücksichtigt werden. Dies kann dazu führen, dass sie ihr Vertrauen in demokratische Prozesse verlieren und sich aus der Politik zurückziehen – oder sich radikalisieren.
Wollen wir die demokratische Entwicklung von Kindern stärken, sind drei Dinge entscheidend: Erstens müssen wir Kinder und ihre Interessen endlich ernst nehmen. Zweitens müssen Kinder früh praktische Erfahrungen mit Demokratie machen können, zum Beispiel in Jugendbeiräten. Wir sollten sie aber auch in den Schulen mehr mitbestimmen, diskutieren und partizipieren lassen. Drittens brauchen wir mehr politische Bildung vor allem für benachteiligte Kinder. Hier sollte man möglichst schon in der Grundschule ansetzen, mit dem Ziel, politische Mündigkeit und kritisches Denken schon früh im Leben zu fördern.“